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Review Arnold & Son DSTB Kennt ihr den? Ein Engländer, ein Schweizer und ein Japaner… ( Ref. 1ATAS.U01A.C121S )

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Weshalb trage ich eine Armbanduhr?

Die Antwort auf diese vermeintlich einfache Frage dürfte unter Umständen vielschichtig sein. Klar, man will die Zeit ablesen können. Das wird aber keineswegs im Vordergrund stehen. Vielleicht ist die Uhr in erster Linie Schmuck und soll dabei den eigenen Stil unterstreichen: Sportlichkeit, Robustheit, Eleganz, Affinität zu Technik, Schönheit, Geschichte et cetera pp. Eventuell ist die Uhr ein Andenken an eine liebe Person, die einem sehr nahe steht oder stand. Oder die Uhr dient dazu, sich und seiner Umwelt zu sagen “schau, ich kann mir Teures und Edles leisten”. Den dabei eventuell von Dritten auftauchenden Vorwurf der Protzerei begegnet man am besten damit, dass bei einem Schlangenbiss am Ende der Welt der Träger einer Luxusuhr immer und sofort einen Buschpiloten finden wird, der ihn ohne Zögern ins nächste Spital fliegt.

Es gibt wahrscheinlich tausend Gründe, eine Uhr zu tragen. Aber immer ist eine Geschichte mit im Spiel: die eigene, die von anderen, eine wahre oder erfundene, eine alte oder zukünftige.

Machen wir uns nun auf zur ersten Etappe unserer kleinen Reise. Die führt uns nicht gerade ans Ende der Welt, nur ein kleines Stück über die Alpen. Nach Bella Italia.

Erste Station: Florenz. Hauptsache Italien!

43° 47′ 0″ 11° 15′ 0″

Firenze
Firenze

Es lohnt sich, das gerade eben gezeigte Gemälde sehr genau anzuschauen. Das um 1560 entstandene Portrait zeigt den Edelmann Cosimo I. de Medici, seines Zeichens Grossherzog von Florenz. Einer der damals mächtigsten und reichsten Männer im Zentrum Europas. Das braucht man alles eigentlich nicht zu wissen. Viel wichtiger für uns ist das eine, kleine Detail auf dem Gemälde. Was der Fürst in seiner rechten Hand hält, ist eine regelrechte Sensation: eine Taschenuhr! Die ersten portablen Uhren wurden so um 1500 in Süddeutschland hergestellt. Historiker gehen davon aus, dass das vom Meister Maso da San Frianoi erstellte Portrait des Medici Fürsten eine der ersten Abbildungen einer Taschenuhr in der Kunstgeschichte überhaupt zeigt.

Portrait von Cosimo I. de Medici, um 1560, gemalt von Maso da San Friano.

Als Mann seiner Zeit, absoluter Herrscher und zugleich den technischen Errungenschaften zugeneigt, lässt es Cosimo I. hier so richtig krachen und zeigt sich als stolzer Besitzer einer Uhr. Man erkennt auf dem Bild gut, wie das Deckgitter mitsamt Lunette der Uhr aufgeklappt ist und an einer Schlaufe der Aufzugsschlüssel für das Uhrwerk befestigt ist. Aus heutiger Sicht würden wir Cosimo I. als eine Art “Elderly Rich” sehen und ihn einen “Early Adopter” nennen. Seine “Credibilita della Strada” dürfte damals jedenfalls krass gewesen sein. Die Uhr auf dem Gemälde ist dabei aber viel mehr als ein Statussymbol; Cosimo I. ist nicht nur Besitzer eines Luxusgegenstandes, was er in seiner Hand hält ist der symbolische Vorbote einer künftigen Zeitenwende.

Technik und Wissenschaft werden massgeblich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse verändern. Das Mittelalter ist definitiv vorbei. Time is money! Die Erde ist endgültig zur Kugel geworden, das Globale ist nur noch das erweiterte Lokale. Halb Europa wird sich neue Ziele auf dem Globus suchen.

Was wir heute Globalisierung nennen, nahm seinen Anfang im 16. Jahrhundert mit den Seefahrern und mit den in den Häfen Europas zurückgebliebenen Kaufleuten und Banker. Letztere erwarteten sehnsüchtig ihren “Return of Investment”, und das tatsächlich bildhaft in Form der aus fernen Ländern zurückkommenden und mit Waren aller Art beladenen Schiffen. Wie die Erde um die Sonne kreist, kreist nun das Geld auf hoher See um die Erde. Aber die Weltmeere sind ein hochgefährliches Terrain.

Um auf den Weiten der Ozeane bestehen zu können, braucht es nicht nur gute Segelschiffe, man sollte auch wissen, wo man ist. Das führt uns zur zweiten Station unserer kleinen Reise, an die Westküste Englands.

Zweite Station: Die Scilly Inseln. Am Anfang war die Katastrophe!

49° 55′ 30″ 6° 17′ 56″

Scilly Islands
Scilly Islands

Die Katastrophe ereignete sich im Jahr 1707, als sich ein Verband englischer Kriegsschiffe auf der Rückfahrt aus dem Mittelmeer in Richtung Portsmouth befand. Bei schlechtem Wetter liefen am Abend des 22. Oktober 1707 gleichzeitig vier der 21 Schiffe des königlichen Flottenverbands vor den Scilly Inseln im äussersten Westen Englands auf den felsigen Grund.

Fast 2000 Seeleute fanden den Tod, weil der Admiral der Flotte und seine Offiziere die Position komplett falsch einschätzten. Sie waren der Meinung, dass sie noch viele Meilen westlich vor Cornwall segelten und steuerten daher bei schlechter Sicht, dafür ohne Bedenken in Richtung Osten. Das Drama – es war der grösste Verlust der britischen Navy ohne Kampfhandlungen überhaupt – traf die Seefahrernation England in ihrem Innersten. Hauptursache für die Katastrophe bei den Scilly Inseln war die alte und immer noch ungelöste Frage: wie bestimmt man auf offener See den Längengrad seiner aktuellen Position möglichst genau?

Problemlos liess sich damals ja lediglich der Breitengrad bestimmen. Der Schiffsnavigator stellt um die Mittagszeit die Höhe der Sonne während ihrer Kulmination exakt fest und mit dem Jakobsstab oder Sextanten berechnet er den Winkel zwischen Sonne und Horizont. In der Nacht konnte dies, zumindest auf der Nordhalbkugel, mit dem Polarstern ebenfalls relativ einfach erledigt werden.

Die Bestimmung über einen Stern in der Nacht war zudem viel bekömmlicher fürs Auge. Damals hatten wahrscheinlich 10 von 10 Seeleuten, welche für die Positionsbestimmung zuständig waren, schon nach einigen Dienstjahren mindestens ein erblindetes Auge.

Schwierig bis teilweise unmöglich war hingegen die Bestimmung des Längengrades, also die Position östlich oder westlich zu einem bestimmten Referenzpunkt. Man benutzte die sogenannte Logge (Holzstücke an einer Leine, welche ins Wasser geworfen wurden), um die ungefähre Geschwindigkeit zu bestimmen, welche man vom Heimathafen aus in westlicher oder östlicher Richtung zurückgelegt hatte. Diese Methode hiess bei den Engländern Dead Reckoning.

Da dieses Dead-Reckoning-Verfahren sehr ungenau war, zogen es viele Kapitäne vor, möglichst entlang den Küsten zu segeln. Oder sie wählten einen bestimmten Breitengrad, auf dem sie mit Hilfe eines Kompasses stur in eine bestimmte Richtung segelten. So wie es bereits Kolumbus bei seiner ersten Fahrt nach Amerika machte.

Es kamen im Laufe der Zeit teilweise aberwitzige Ideen auf, wie man die Längengrade bestimmen könne. Beispielsweise sollten auf den Weltmeeren alle 600 Seemeilen Schiffe oder Plattformen fest verankert werden, auf welchen zu festgelegten Zeiten ein Kanonenschuss abzufeuern war. Durch den Schall hätten die Seeleute ihre Entfernung zu diesen Schiffen, unter Berücksichtigung der Schallgeschwindigkeit und der festgelegten Signalzeiten, berechnen und so ihre geografische Länge bestimmen sollen.

Immerhin, diese abstruse Idee wirkte als Katalysator. Das Längengradproblem sollte nun endlich ernsthaft in Angriff genommen und gelöst werden.

Das führt uns zur dritten Station unserer Reise, nach London.

Dritte Station: Westminster Palace. Gentlemen, start your brains!

51° 29′ 58″ 0° 7′ 27″

Westminster Palace
Westminster Palace

Im Jahr 1714 verabschiedete das britische Parlament den sogenannten Longitude Act. Mit diesem Erlass wurde ein Preisgeld für die zuverlässige Längengradbestimmung auf See ausgesetzt. Die damals astronomische Summe von 20'000 £ wurde demjenigen als Preisgeld ausgelobt, welcher eine Methode entwickeln konnte, mit der man den jeweiligen Längengrad auf einer sechswöchigen Schiffsreise in die Karibik um mindestens ein halbes Grad bestimmen konnte. Ein Längenunterschied von einem Grad entspricht am Äquator 60 Seemeilen (etwa 111 km), auf der Breite des Ärmelkanals immer noch ca. 40 Seemeilen (etwa 74 km). Als Wettbewerbsjury wurde hierzu das Board of Longitude eingerichtet, welches die eingehenden Vorschläge prüfen und über die Preisvergabe entscheiden sollte.

Letztlich waren es zwei Methoden, welche im Rennen um den Preis die ganze Zeit über miteinander im Wettbewerb standen. Einerseits die Längengradberechnung über die Mondphasen, andererseits die Bestimmung über die genaue Sonnenzeit.

Die Herausforderung der letzteren Methode bestand darin, die präzise Uhrzeit an einem bestimmten Ort zu wissen. Dieser Lösungsansatz hat seine einfache Grundlage darin, dass die Erde für eine vollständige Umdrehung von 360° insgesamt 24 Stunden braucht. Teilt man nun die 360° durch die 24 Stunden eines ganzen Tages, so entspricht eine Stunde Zeitunterschied genau 15°.

Das einzige, was man nun benötigt, ist die genaue (Sonnen-)Uhrzeit an zwei verschiedenen Orten: einerseits an Bord des Schiffes, andererseits an einem Referenzort, etwa der Heimathafen mit bekannter geographischer Länge. Aus der Differenz der beiden Sonnenzeiten lässt sich die eigene Position leicht bestimmen. Die aktuelle Position verhält sich zu 24 Stunden wie die Differenz der Längen zu 360°.

Angenommen, auf dem Schiff ist es Mittag 12 Uhr, während es zu selben Zeit in Greenwich (0° Länge) 10 Uhr ist, so beträgt die Zeitdifferenz 2 Stunden, also insgesamt 30°. Zusammen mit dem Breitengrad lässt sich nun so die genaue Position des Schiffes berechnen.

Das Problem war in der Theorie längst gelöst. In der Praxis aber gab es die eine, unüberwindliche Hürde. Die zu dieser Zeit bekannten Uhren liefen zwar auf dem Land schon sehr genau, an Bord auf hoher See aber, mit Wellengang, Feuchtigkeit sowie Temperaturunterschieden konnten solche Uhren nicht genutzt werden. Die genausten Uhren an Land waren die Pendeluhren, welche aber allein aufgrund des Seefangs untauglich für die Berechnung der Längengrade waren. Eine Uhr, welche die Zeit am Referenzort anzeigt, müsste eine Genauigkeit von mindestens 4 Minuten pro Tag besitzen, um als als zuverlässiges Mittel für die Längengradbestimmung zu dienen.

Damit war der Wettlauf um die Präzision eines Uhrwerks, selbst unter widrigsten Bedingungen, offiziell eröffnet. Einer, der sich dieser Herausforderung stellte, war der Tischler und Autodidakt John Harrison.

1737 stellt er dem Board of Longitude seine H1 vor und verlangte einen Kredit über 500 £ und zwei weitere Jahre, um die Uhr zu verbessern. Die H1 verhielt sich auf einer Schiffsreise nach Lissabon gar nicht mal so schlecht. Seine H2, entstanden zwischen 1737 und1739, liess er gar nicht testen, da er einen Konstruktionsfehler vermutete und begann sogleich mit der Arbeit an H3. Über 19 Jahre tüftelte er an der H3, aber auch diese Konstruktion wurde nicht auf See getestet. Es war schliesslich die H4 von 1759, welche für John Harrison den Durchbrich brachte.

Im Gegensatz zu den sperrigen H1 bis H3 sah die H4 wie eine etwas zu gross geratene Taschenuhr aus. Und sie war genau, sehr genau und robust. Harrison, welcher mittlerweile ein alter Mann geworden war, gab die Uhr seinem Sohn William mit auf eine Seefahrt nach Jamaika. Dabei hat sich die H4 hervorragend bewährt. Die H4 hatte während der gesamten Hin- und Rückreise von 147 Tagen nur gerade eine Abweichung von 1 Minute und 54,5 Sekunden (!).

Dennoch zweifelte das Board of Longitude die Ergebnisse an und verlangte einer Wiederholung des Tests. Die Beziehung zwischen Harrison und dem Board of Longitude wurde sowieso immer schwieriger, zumal sich der königliche Astronom Nevil Maskelyne, welcher zufälligerweise auch Mitglied des Boards war, den Preis selber holen wollte; und zwar mit seinen astronomischen Berechnungen und Mondtabellen.

Am Ende, nach vielen Jahren des Streits und der gegenseitigen Beschuldigungen und Verleumdungen, konnte Harrison 1773, drei Jahre vor seinem Tod, den letzten Anteil des Preisgeldes kassieren. Die offizielle Anerkennung, das Problem gelöst zu haben, erhielt er jedoch nie. Das Board of Longitude wurde 1828 aufgelöst.

Von H1 bis H4: die Schiffsuhren von John Harrison.

Man darf getrost sagen, dass die H4 die wohl wichtigste Uhr ist, welche bislang in der Menschheitsgeschichte hergestellt wurde.

Wer mehr über das ganze Längengradproblem und auch über die Akteure in diesem historisch spannenden Umfeld erfahren möchte, dem lege ich das Buch “Längengrad” der amerikanischen Schriftstellerin Dava Sobel sehr ans Herzen. Eine wunderbar geschriebene Abhandlung über diese Problematik, süffig zu lesen und dennoch sehr lehrreich.

Auf den Weltmeeren dauerte es noch lange Zeit, bis auf jedem Schiff eine dieser präzisen Uhren zum Einsatz kam. Diese Marine Chronometer genannten Uhren waren sehr teuer und deshalb verwendeten die Kapitäne weiterhin die von Maskelyne entworfenen Mondtabellen. Als jedoch nach und nach preisgünstigere Chronometer auf den Markt kamen, lösten die Schiffsuhren die anderen Methoden für die Längengradberechnung auf den Meeren ab.

Massgeblich für die weite Verbreitung bezahlbarer Marinechronometer war im Wesentlichen ein englischer Uhrmacher namens John Arnold. Das führt uns zur vierten Station auf unserer Reise. Wir bleiben in London.

Vierte Station: The Strand in London. Jetzt wird daraus ein Geschäft!

51° 30′ 48″ 0° 6′ 46″

The Strand in London
The Strand in London

John Arnold wurde 1736 in Bodwin, einem kleinen Kaff in Cornwall geboren. Er erlernte, wie sein Vater, das Uhrmacherhandwerk. Schicksalshaft muss seine Begegnung mit einem gewissen Herrn William McGuire gewesen sein. John Arnold reparierte dessen Taschenuhr offenbar so vortrefflich, dass er von seinem Kunden ein Darlehen erhielt, mit welchem er sein ein Uhrengeschäft in Devereux Court, The Strand, London, eröffnen konnte.

Im Jahr 1764 präsentierte John Arnold dem englischen König Georg III. eine Uhr mit Halbviertelstundenrepetition und Zylinderhemmung. Das Ganze verbaut in einem Ring mit nur 15 mm Durchmesser! Der König war mehr als entzückt und belohnte ihn mit einer stattlichen Summe. Als der russische Zar von John Arnold auch so ein Teil haben wollte, ihm dafür sogar den doppelten Betrag in Aussicht stellte, lehnte Arnold ab. Unser Uhrmacher war an einer ganz anderen Geschichte dran.

Im Jahr 1770 stellte John Arnold dem Board of Longitude seinen ersten Schiffschronometer vor. Diese Uhr war im Vergleich zu den anderen Uhren in der Herstellung relativ günstig. Das Board of Longitude gab John Arnold 200 £ und den Auftrag, die Uhr zu verbessern. Ein Schiffschronometer führte der berühmte Kapitän James Cook auf seiner zweiten Südseereise zwischen 1772 und 1775 mit.

John Arnold experimentierte unermüdlich an seinen Taschenuhren und konnte deren Genauigkeit stetig verbessern. Unter anderem liess er sich eine neuartige Kompensationsunruh mit einer Bimetallspirale patentieren. Seine Taschenuhr 1/36 wurde während fast eineinhalb Jahren durch die Mitarbeiter des königlichen Observatoriums in Greenwich ausgiebig getestet. Die Arnold 1/36 übertraf alle Erwartungen in Bezug auf die Genauigkeit und John Arnold liess 1779 die Ergebnisse des Versuchs unter dem Titel “An Account kept during Thirteen Months in the Royal Observatory at Greenwich of the Going of a Pocket Chronometer, made on a new Construction” veröffentlichen.

1780 erklärte das Board of Longitude, dass John Arnolds Chronometer “superior to any watch produced previously” sei. Im Jahr 1796 übergibt John Arnold das sehr erfolgreiche Geschäft an seinen Sohn John Roger weiter. Das Unternehmen hiess neu Arnold & Son wurde rasch zum absolut führenden Lieferanten für Schiffschronometer der Royal Navy.

Man darf John Arnold mit Sicherheit wohl als den innovativsten Uhrmacher seiner Zeit bezeichnen. Er hielt Patente für eine Detent-Hemmung, eine Bimetall-Unruh und eine Schraubenunruh-Spiralfeder sowie für die “Endkurven” der Spiralfeder. Letzteres ist im Übrigen das, was wir heute als Breguet-Spirale bezeichnen.

Und genau genommen hat auch nicht Louis Abraham den Tourbillon alleine erfunden. Es war John Arnold, welcher wohl als erster das Tourbillon-Konzept ersann. Noch bevor er die Idee zu Ende entwickeln konnte, verstarb John Arnold 1799. Aber schon Jahre vor seinem Tod war er mit Breguet freundschaftlich verbunden. Ohne Argwohn tauschten die beiden Ausnahmekönner ihre Ideen und Entdeckungen miteinander aus. Breguet übernimmt Arnolds Spiralfeder und baut ein funktionierendes Tourbillon, welches er nach John Arnolds Tod patentieren lässt. Aus Respekt gegenüber John Arnold schenkt Breguet seine erste Tourbillonhemmung, die in einem von Arnolds Taschenchronometern eingebaut ist, Arnolds Sohn John Roger.

Ein Zeitball ist übrigens nichts anderes als ein grosser und somit weit sichtbarer Signalball, der an der Spitze eines Gebäudes angebracht ist. Solche Bälle gab es im 19. Jahrhundert in vielen Häfen der Welt. Jeweils zu einem festgelegten Zeitpunkt wurde der Ball fallen gelassen und erlaubte so den Seeleuten, ihre Schiffschronometer zu überprüfen.

Der wohl berühmteste und auch heute noch für die Touristen im Einsatz stehende Zeitball ist derjenige auf dem Dach der Sternwarte von Greenwich. Jeden Tag um genau 13 Uhr fällt die rote Aluminiumkugel herunter (was heute wohl 14 Uhr Mitteleuropäische Zeit entspricht).

Und mit dem Fallen der Zeitkugel ist es nun höchste Zeit, England zu verlassen und in die Schweiz zu reisen. Unsere fünfte Station ist eine kleine Stadt im Hochjura des Kantons Neuenburg: La Chaux-de-Fonds.

Fünfte Station: La Chaux-de-Fonds. Der wilde Westen der Schweiz!

47° 6′ 3″ 6° 49′ 30″

La Chaux de Fonds
La Chaux de Fonds

Es war helllichter Tag am 15. Januar 2002, als vor dem Polierwerk Miranda in La Chaux-de-Fonds zwei bewaffnete Männer einen Rolex-Mitarbeiter, der gerade Uhrengehäuse aus Gold in seinen Lieferwagen verstaute, überfielen. Die Räuber kidnappten den Mitarbeiter mitsamt Lieferwagen und Gold. Die Geisel und den Lieferwagen fand man später, beide waren wohlauf. Das für Rolex bestimmte Gold im Wert von einer halben Million Franken war jedoch auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Am 6. Juni desselben Jahres zwangen Ganoven einen Manager der Firma RSM in Le Locle mit Waffengewalt dazu, ihnen 10 Kilogramm Gold aus dem Tresor auszuhändigen. Und am 19. März 2003 schliesslich passierte noch etwas aussergewöhnliches. In einem Katalog für eine bevorstehende Antiquorum Auktion war eine 40'000 Franken teure Ulysse Nardin Uhr abgebildet. Das Dumme daran war allerdings, dass es die Uhr zu diesem Zeitpunkt offiziell noch gar nicht geben konnte, sie war vom Hersteller noch gar nicht veröffentlicht.

Diese drei kriminellen Akte erzeugten innerhalb der elitären und verschwiegenen Schweizer Uhrenlandschaft ein mittleres Erdbeben. Im Fall der Ulysse Nardin Uhr stellte sich bald heraus, dass ein Mitarbeiter von Ulysse Nardin diese Uhr, zusammen mit 20 anderen Uhren, entwendet hatte.

Die Polizei nahm Ermittlungen auf, Telefone wurden abgehört; und irgendwann waren sich die Strafverfolgungsbehörden sicher, dass die drei Fälle zusammenhängen. Bei allen drei Straftaten tauchte zudem früher oder später der Name Jean-Pierre Jaquet auf. Eine sehr illustre Persönlichkeit, nicht nur in La Chaux-de-Fonds. Er kam aus dem Antiquitätengeschäft, handelte mit Uhren und war — da sind sich viele einig — ein genialer Autodidakt.

Jean-Pierre Jaquet

Als Pharao wurde er bezeichnet, ein König in der Welt der Gold- und Luxusuhren in den 80er und 90er Jahren. In diesen 20 Jahren seines Aufstiegs hatte der Herr Jaquet allerdings auch verschiedene Strafanzeigen wegen Hehlerei, Diebstahl sowie Handel mit gefälschten Uhren am Hals.

Mit seiner Firma Jaquet SA belieferte Jean-Pierre Jaquet seit Ende der 1980er Jahre verschiedene Unternehmen (u.a. Franck Muller, GP) mit ausgesuchten Werkskomplikationen: Mondanzeigen, Schleppzeiger, Gangreserven etc. Alles Spezialitäten, die heute zum guten Ton bei hochwertigen Uhren gehören, damals aber kaum jemanden interessierten. Jaquet gehörte definitiv zu denen, die das Comeback der mechanischen Luxusuhr sehr früh erkannten.

Sehr früh kamen dann aber am Morgen des 7. Oktober 2003 auch die Bereitschaftspolizisten. Die Umgebung seiner Fabrik in La Chaux-de-Fonds glich an diesem Morgen einem Filmset für einen Actionstreifen. Bewaffnete Polizisten umstellten die Uhrenfabrik und hinderten die Mitarbeiter am Zutritt. Die Strassen wurden weiträumig abgesperrt, der Morgenverkehr in der geschäftigen Uhrenstadt umgeleitet. Der Firmeninhaber Jean-Pierre Jaquet wurde zur gleichen Zeit in seinem Haus verhaftet, der Vorwurf lautete bandenmässiger Raub, Anstiftung zum Raub, Goldhehlerei und Uhrenfälschung. Wichtig dabei: die Vorwürfe betrafen alleine den Privatmann Jaquet, den von ihm kontrollierten Firmen wurde nichts vorgeworfen.

Nach jahrelangen Ermittlungen, Zeugenbefragungen wurde Jaquet 2008 im grössten Strafprozess in der Schweizer Uhrengeschichte zu viereinhalb Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Die vierzehn Mitangeklagten erhielten Freiheitsstrafen zwischen drei und neun Jahren. In der Schweiz schlug dieser Prozess hohe Wellen, man sprach von der Tick-Tack Connection.

“Es ist, als hätten die Kardinäle in Rom den Tresor des Vatikans geleert.” Nicolas Hayek, ehemaliger Swatch-Boss

Nicolas Hayek

Der geneigte Leser wird sich spätestens jetzt fragen, weshalb in dieser Vorstellung von Herrn Jaquet und seinen Machenschaften die Rede ist. Nun, das ist an sich ganz einfach; es war eben dieser Jaquet, welcher 1995 mit drei Geschäftspartner, darunter das Swatch-Urgestein Ernst Thomke, die Marke Arnold & Son wiederaufleben liess. Zusammen mit der Marke Graham, welche sich ebenfalls auf einen grossen englischen Uhrmacher, George Graham, bezieht.

Jaquet und seine Partner kauften die Namensrechte und unter dem Firmendach “British Masters” (vorher Les Monts SA) wurden ab dem Jahr 2000 Arnold & Son sowie Graham Uhren hergestellt. Für das technische Innenleben dieser Stücke war im Wesentlichen die Firma Jaquet SA zuständig.

Nachdem Jaquet mit der Justiz ab 2003 bekanntlich ernsthafte Probleme bekam, wurde er von den Mitgesellschafter aus den Firmen Jaquet SA und British Masters ausgekauft. Es ist von einem zweistelligen Millionenbetrag die Rede. Die Firma Jaquet SA wurde in La Joux-Perret umbenannt und an die Holdinggesellschaft Prothor verkauft. Diese Holding erwarb im Jahr 2010 auch Arnold & Son, während die andere Marke von Britsh Masters, Graham, vom Mitbegründer Eric Loth übernommen wurde.

Meine alte Arnold & Son Timekeeper aus etwa 2005

Übrigens: der Sohn von Jean-Pierre Jaquet heisst Valérien Jaquet. Das ist der Inhaber der Uhrwerksirma Concepto SA. Die Welt ist klein. Und das führt uns nun von La Chaux-de-Fonds etwas weiter östlich, nach Japan.

Sechste Station: Nishitokyo. Die Japaner kommen!

35° 43′ 32″ 139° 32′ 18″

Nishitokyo
Nishitokyo

Im Frühjahr 2012 wurde Toshio Tokura Präsident und CEO der Citizen Holding, nachdem er lange Jahre für die Uhrensparte von Citizen zuständig war. An der Spitze des Unternehmens angekommen, verkündete Tokura “drastische Veränderungen” im Uhrengeschäft von Citizen. Im Wesentlichen ging es dabei um die nachfolgenden Punkte:

Diese Strategien waren die Antwort darauf, dass Citizen ab den 1990er Jahren auf dem Uhrensektor kein so starkes Wachstum aufweisen konnte wie beispielsweise die heimische Konkurrenz von Seiko.

Für Tashio Tokura gab es nach seinen eigenen Angaben nur zwei Möglichkeiten. Entweder das Markenimage von Citizen durch hauseigene Ideen, Produkte und PR-Aktionen kontinuierlich zu steigern. Oder aber auf Einkaufstour nach Europa, d.h. in die Schweiz, zu gehen. Citizen entschied sich für die zweite Option. Anders als Seiko, welche mit Grand Seiko schon relativ früh eine hauseigene Premiummarke aufbaute und damit seit den 2000er Jahren sehr offensiv die internationalen Luxusmärkte zu erobern versucht, wählte Citizen für den Weg in das obere Segment den Aufkauf von bestehenden Firmen und Marken.

Noch 2012, im ersten Amtsjahr des neuen CEO war es soweit: Citizen kaufte die Holdinggesellschaft Prothor, zu welcher neben der Werke-Manufaktur La Joux-Perret auch der Teilehersteller Prototec sowie die Uhrenmarke Arnold & Son gehören. Der Kaufpreis soll um die 65 Millionen Franken betragen haben.

Im Rahmen der Übernahme erklärte Citizen offiziell, dass mit der Transaktion zwei Ziele verfolgt werden: die Stärkung von La Joux-Perret und Arnold & Son sowie die Belieferung von Citizen mit Schweizer Uhrwerken und Technologie im obersten Segment. Mit diesem Erwerb hat Citizen ein deutliches Zeichen gesetzt, nun auch im Luxusbereich mitzumischen. Dabei wurde offenbar dem Standort Schweiz und den bisherigen Verantwortlichen eine grosse Unabhängigkeit zugestanden. Citizen schiesst also eine Menge Geld ein, was sich der Konzern sicher ohne weiteres leisten kann, erlaubt aber gleichzeitig La Joux-Perret und Arnold & Son weitestgehende Freiheiten für Entwicklungen und Innovationen. Selbst das Schweizer Management wurde durch Citizen nicht verändert.

Man kann wohl davon ausgehen, dass der Deal zwischen den Schweizern und Citizen zu einer wesentlich fruchtbareren und respektvolleren Zusammenarbeit führt, als dies bei anderen Übernahmen der Fall gewesen war (Eterna lässt grüssen).

2015 entschied La Joux-Perret respektive Citizen, die ehemalige Kultmarke Angelus wiederauferstehen zu lassen. Dasselbe Team, welches sich um Arnold & Son kümmert, betreut nun auch Angelus. Das heisst, La Joux-Perret liefert sowohl die Gehäuse wie auch die Kaliber für die beiden Marken.

Die Wachstumsstrategie von Citizen war mit dem Kauf von Prothor und dem Revival von Angelus allerdings noch nicht am Ende. Im Jahr 2016 kaufte Citizen die Firmen Frederic Constant, Alpina und Ateliers deMonaco auf. Damit umfasst das Merkenimperium der Japaner, neben ihrer Hausmarke, sieben weitere Brands: Campanola, Bulova (seit 2008), Arnold & Son, Angelus, Frederique Constant, Alpina und Ateliers deMonaco.

Pro Jahr werden weniger als 1000 Uhren der Marke Arnold & Son in La Chaux-de-Fonds hergestellt.

Siebte Station: Am Ziel! Die Uhr

Damit sind wir endlich am Ziel unserer kleinen Reise angelangt, zur Arnold & Son DSTB. Die Abkürzung “DSTB” steht für Dial Side True Beat, was auf Deutsch etwa so viel heisst wie Springende Sekunde auf dem Zifferblatt.

Die Komplikation

Die Arnold & Son DSTB ist eine eher ungewöhnliche Dreizeigeruhr mit Stunden-, Minuten- und Sekundenanzeige. Dank einer speziellen Komplikation bewegt sich hier der Sekundenzeiger der Uhr genau einmal pro — wer hätte das gedacht — Sekunde. Ganz ohne Zwischenschritte. Was jede Quartzuhr für einige Euros problemlos hinbekommt, ist bei einer mechanischen Uhr gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Im Gegenteil, die springende Sekunde (auch Seconde Morte, Dead Beat Second oder eben True Beat genannt), ist eine sehr schwierig zu realisierende Komplikation. Sie gehört zu den Königsdisziplinen der Uhrmacherei, sie ist komplex und erfordert einen hohen technischem Aufwand.

Die Sekundenkomplikation Springende Sekunde oder True Beat geht auf die Marinechronometer des 18. Jahrhunderts zurück. Da Längengrade in ganzen Sekunden angegeben werden, war man der Meinung, dass eine sekundengenaue Anzeige die ideale Form für das Ablesen der Sekunden und damit für die Bestimmung des Längengrades sei. Die erste Uhr mit springender Sekunde wurde 1875 von Richard Towneley, eine Regulator Uhr für das Greenwich Observatorium, gebaut. Diese Uhr wurde rasch Vorbild für die späteren Pendeluhren mit dieser Komplikation. Im Jahr 1776 schrieb der Genfer Uhrmacher Pouzait einen grundlegenden Artikel über die unabhängige Sekunde, welche mittels einem zusätzlichen Räderwerk gestoppt und gestartet werden kann. Dieses Traktat war denn auch gleichzeitig die Grundlage für den modernen Chronographen. Das ist aber eine andere Geschichte.

Die Frage nach dem Sinn respektive Unsinn einer springenden Sekunde in der modernen Zeit lassen wir beiseite. Dafür machen wir kurz etwas Physik für Uhrendoofies (zu denen ich mich natürlich freimütig auch zähle).

Der Sekundenzeiger bei mechanischen Uhren legt konstruktionsbedingt immer mehrere kleine Schritte pro Sekunde zurück. Dabei steht die Anzahl der kleinen Schritte der Sekunde in Abhängigkeit zur Frequenz der Unruh. Der Anker respektive das Räderwerk des Sekundenzeigers wird bei jeder Halbschwingung der Unruh kurz freigegeben. Die Schwingfrequenz eines Uhrwerks wird daher traditionellerweise in Halbschwingungen der Unruh pro Stunde angegeben, also Amplitude pro Stunde: A/h. Die physikalische Masseinheit für die Frequenz ist hingegen Hertz (Hz). Wobei 1 Hertz bedeutet: einmal pro Sekunde einen vollständigen Zyklus, also einmal hin und her. Hertz-Zahlen geben also immer die Menge der ganzen Schwingungen pro Sekunde wieder, weshalb sie definitionsgemäss exakt halb so gross sind wie die Menge der Halbschwingungen.

Für die Umrechnung von A/h auf Hz bei einem modernen Uhrwerk mit einer Frequenz von 28'800 A/h geht man nach Adam Riese wie folgt vor: Zuerst machen wir aus den Halbschwingungen ganze Schwingungen: wir teilen also die 28'800 durch zwei (ergibt 14'400). Dieses Ergebnis wiederum wird durch 60 Minuten dividiert (ergibt 240). Und dieses Ergebnis nochmals durch 60 Sekunden teilen (ergibt 4). Somit entsprechen die 28'800 Halbschwingungen einer Frequenz von vier Hertz, d.h. der Sekundenzeiger vollführt acht Sprünge in der Sekunde. Bei einem Schnellschwinger-Kaliber wie dem El Primero von Zenith mit einer Frequenz von 5 Hz (36'000 A/h) bewegt sich der Sekundenzeiger mit 10 kleinen Schritten pro Sekunde, weshalb sich übrigens damit auch vortrefflich Zehntelsekunden stoppen lassen.

Aber wie kommt man nun zu einer springenden Sekunde auf dem Zifferblatt? Kann doch gar nicht schwierig sein, man wählt als Frequenz der Unruh einfach ein halbes Hertz. Dann bewegt sich der Sekundenzeiger genau einmal pro Halbschwingung der Unruh. Jedes Tick und jedes Tack ergibt eine ganze Sekunde. Also: Where’s the problem?

Das Problem bei diesem Ansatz ist die erforderliche Grösse der Unruh. Schon eine Unruh mit einer Frequenz von 1 Hz (also 7'200 A/h) misst im Durchmesser ca. 2.5 cm! Solch eine Uhr stellte an der Baselworld 2013 der Uhrmacher Antoine Martin vor. Seine Slowrunner mit einem 1 Hz Kaliber hält unter den Armbanduhren wohl den Rekord der grössten Unruh überhaupt.

Aber auch bei dieser Uhr bewegt sich der Sekundenzeiger letztlich immer noch in zwei Halbsekundenschritten. Eine Frequenz von einem halben Hertz wäre also nötig (3'600 A/h), dies würde hingegen eine noch viel grössere Unruh als bei der Slowrunner bedingen. So gross, dass diese in einer Armbanduhr wahrscheinlich gar keinen Platz mehr finden würde.

Zurück zur springenden Sekunde. Mitte der 50er Jahren kamen zwei bekannte Schweizer Hersteller gleichzeitig auf die Idee, die Technologie der springenden Sekunde zu miniaturisieren und so für Armbanduhren erstmals zugänglich zu machen. Omega hatte die Synchrobeat und Rolex ihre Tru-Beat. Beide Modelle waren nicht wirklich nachgefragt, vermarktet wurden sie wohl als “Doktoruhren” zur optimalen Pulsmessung. Na ja, der Puls würde heute jedenfalls demjenigen in die Höhe gehen, der eine Synchrobeat oder eine Tru-Beat auf einem Flohmarkt finden würde. Jedenfalls dann, wenn sie der Verkäufer wegen der springenden Sekunde fälschlicherweise als gefälschte Uhren mit billigen Quartzwerken verticken würde… Wie auch immer, die Omega und die Rolex sind heute begehrte und sehr rare Sammlerstücke mit heftigem Liebhaberpreis. Daneben gab es noch die ebenfalls heute seltenen Werke von A. Schild sowie von Chézard, welche diese Komplikation boten. Eine Aera der springenden Sekunde in Armbanduhren gab es jedenfalls nicht so richtig.

Heutzutage ist diese etwas spleenige Komplikation bei Herstellern im oberen Segment wieder beliebt. Ohne dabei Doktoren oder Krankenschwestern als Zielgruppe zu haben. Vielmehr geht es darum, dem Publikum uhrmacherisches Können zu demonstrieren.

Grundsätzlich gibt es in der Theorie verschiedene Möglichkeiten, eine Sekunde “springen” zu lassen. Zunächst einmal die Technik mit einem Sekunden-Remontoire, eine Art Kraftspeicherung. Die Lange Zeitwerk beispielsweise benutzt einen Minuten-Remontoire, um die digitalen Minuten springen zu lassen. Es gibt weitere Methoden, darunter die Möglichkeit, beim vierten Rad (Sekundenrad) des Räderwerks eine zusätzliche Hemmung anzukoppeln. Das war auch das System der Rolex Tru-Beat sowie der Omega. Und diese Methode kommt im Prinzip auch in der Arnold & Son DSTB zur Anwendung.

Die Unruhfrequenz (4 Hz) des Kalibers in der Arnold & Son wird dabei für den Sekundenantrieb in einen einzelnen “Sekundenschlag” übersetzt. Dies erfolgt, vereinfacht gesagt, mittels einer zusätzlichen Hemmung, bei der die Kraftübertragung möglichst präzise auf das Sekundenrad erfolgt. Dabei gibt ein spezieller Palettenhebel die gespeicherte Energie mit einem Impuls an das Sekundenrad mit 60 Zähnen weiter.

Auf der Zifferblattseite sind im oberen Bereich die durchbrochenen Brücken angeordnet, welche den komplizierten Sekundenschlagmechanismus stützen. Ein spezieller Palettenhebel (nicht zu verwechseln mit dem Anker der Hemmung) greift in das Sekundenrad ein. Das System speichert die Energie und gibt sie in Form eines einzigen Impulses wieder ab.

Das Sekundenrad verlangt hierbei höchste Präzision, es braucht das perfekte Zahnrad mit 60 Zähnen, weshalb Arnold & Son hierfür die sogenannte LIGA-Technologie verwendet, mit der die erforderliche mikroskopisch genaue Präzision für das Zahnrad erreicht werden kann.

Das Gegengewicht des Palettenhebels ist in Form eines Ankers gestaltet, eine Anspielung auf die grosse maritime Vergangenheit von Arnold & Son. Der Sekundenzeiger besitzt eine durchbrochene Spitze, welche über einem auf drei Stützen angebrachten Saphirring die Sekunden anzeigt. Die ganze Konstruktion der Sekundenanzeige wirkt leicht, fast schwebend über der wunderschön blauen Platine.

Das Gehäuse

Die Arnold & Son DSTB gibt es in Edelmetell oder in Stahl. Mein Modell ist die auf 250 Stück limitierte Stahlversion mit blauer Platine. Das Gehäuse ist aufwändig gemacht und zweistufig aufgebaut, wobei es sich Gehäuseboden hin etwas verjüngt.

Trotz dem stattlichen Durchmesser von 43.5 mm passt die Arnold & Son DSTB hervorragend ans Handgelenk. Dies auch Dank der kurzen Hörner, welche typisch für eine Arnold & Son sehr stark nach unten gezogen sind. Die Lünette ist schmal gehalten, damit die Anzeigen genügend Platz erhalten. Das Gehäuse ist vollständig hochglanzpoliert und der Saphirglas-Gehäuseboden lässt sich das hauseigene Automatikwerk betrachten. Die griffige und schön bearbeitete Krone trägt auf ihrer Flanke ein Relief des Markenlogos von Arnold & Son.

Das Zifferblatt

Ein Zifferblatt im herkömmlichen Sinne gibt es bei der DSTB nicht. Vielmehr sind es drei “Zifferblätter”. Zunächst einmal ist da diese grosse Platine in schönem Blau (PVD beschichtet). Aus kontruktiver Sicht ist diese Platine die Rückseite der Werksplatine, welche sich dem Betrachter zeigt und die alle Elemente für die Anzeige und die Komplikation nach Aussen hin trägt. Sie hat einen feinen aber dennoch markanten Spiralschliff, dessen Mitte im kleinen Zifferblattes für Stunde und Minute liegt.

Der feine Saphirglasring mit den Anzeigen für die Sekunde (Punkte und Zahlen) schwebt frei und luftig über dem blauen “Meer” der Platine. Bei “Fünf Uhr” auf der Platine ist schliesslich das kleine silbrig-weiss lackierte Zifferblatt mit drei kleinen Schrauben fixiert. Sehr schöne gebläute Zeiger mit — wie beim Sekundenzeiger — durchbrochenen Spitzen zeigen die Stunden und Minuten an. Eine fein gezeichnete Eisenbahnminuterie (Chemin de fer) hilft für eine genaue Ablesbarkeit und bildet gleichzeitig die Grenzlinie zwischen dem Hilfszifferblatt und der Hauptplatine.

Das Uhrwerk

Arnold & Son ist das, was man ohne Verrenkung als Manufaktur bezeichnen kann. Für jedes Modell baut La Joux-Perret das passende Kaliber. Hier in der DSTB ist es das A&S 6003. Ein 4 Hz Kaliber mit einem Durchmesser von stolzen 38 mm. Die Schwungmasse bei meiner Version ist aus grauem Stahl gefertigt und mit einem diamantförmigen Motiv verziert. Die Edelmetall-Modelle bieten hier Rotoren aus Gold.

Aus insgesamt 229 Einzelteilen besteht das Uhrwerk. Und man darf mit Fug und Recht behaupten, dass das Finish wirklich Oberklasse ist. Natürlich nicht A. Lange & Söhne Niveau, aber mindestens auf dem Level von JLC, GO und anderen Marken in diesem Segment.

Sonnenschliffe beim Kronrad, Colimaçon-Dekor (Spiralschliff) auf dem Sperrrad, Perlage und Genfer Streifen. Alles ist sehr fein und sehr präzise gemacht. Besonders auch die Anglage ist für meine Begriffe wirklich überragend. Schön sind auch die Schrauben mit den abgeschrägten und glanzpolierten Köpfen. Insgesamt ein Uhrwerk mit Raffinesse und viel Liebe zum Detail, welches das Selbstverständnis von Arnold & Son, Uhrmacherkunst von hoher Güte zu fertigen, gerecht wird. Das Kaliber wird von Arnold & Son in fünf Positionen geprüft. Über die Genauigkeit habe ich mich jedenfalls nicht beschweren müssen.

Schlussbemerkung

Die Arnold & Son DSTB ist eine Luxusuhr mit Spleen. Mit ihrer schrullig anmutenden Komplikation versprüht die Uhr nicht nur einen gewissen Charme, sondern beweist auch konstruktive Finesse auf einem wirklich sehr hohen Level. Verarbeitung, Optik und Anmutung sind aus meiner Sicht tadellos. Aber klar, ein Begleiter für jede erdenkliche Alltagssituation ist die “Briten-Breguet” natürlich nicht. Robustheit und Sportlichkeit standen im Pflichtenheft nicht an erster Stelle. Aber sie hat dennoch etwas von einer Tool Watch.

Die Arnold & Son erzählt spielerisch die wechselvolle Geschichte über die Eroberung der Meere durch menschlichen Erfindergeist. Ihre klassischen Designelemente zitieren das Uhrendesign des 17. Jahrhunderts, technisch hingegen ist sie up to date. Die sichtbaren Brücken, der Saphirglasring und die wunderbar blaue Platine sorgen für eine moderne Leichtigkeit und tolle Dreidimensionalität. Aber das Highlight der Arnold & Son DSTB ist dieser springende Pfeil. Bei jedem Blick auf die Uhr wandert das Auge zum Sekundenzeiger, der in absolut gleichmässigen Portionen über der durchsichtigen Saphirglasscheibe schreitet. Nach jedem Schritt wartet er, hält kurz inne, und überwindet dann kraftvoll die nächste Strecke.

Schreiten statt Gleiten.

Dieses Schauspiel hat etwas Hypnotisierendes, etwas Beruhigendes. Käme dies von einer Quartzuhr, das alles wäre nicht der Rede wert. Hier hingegen — wie war nochmal die Eingangsfrage der Vorstellung: weshalb trage ich eine Armbanduhr?

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