Die kubanischen Korallen
Wir springen zurück in die DDR der 1960er Jahre. Da die Museen im Land attraktiver gestaltet werden sollten, kam man in der Parteispitze auf eine ziemlich ungewöhnliche Idee, welche die Wissenschaftler im Museum für Naturkunde der Humboldtuniversität Berlin in Zusammenarbeit mit dem Zentralen Tauchsportclub der DDR umsetzen sollten. Ein Plan, welcher in der heutigen Zeit mit ziemlicher Sicherheit in dieser Form nicht mehr machbar wäre.
Als große Attraktion für das Museum, sollte dort ein Korallenriff ausgestellt werden, inklusive dessen konservierter Bewohner. Wie man sich vorstellen kann, gestaltet sich so ein Vorhaben ziemlich schwierig, denn die Ostsee bietet bekanntermaßen eher wenig Potenzial was Korallenriffe und tropische Fische betrifft.
Was liegt also näher, als sich in seinen sozialistischen Partnerländern umzuschauen. Nach einigen Überlegungen und Gesprächen war ein passender Kandidat gefunden – Kuba.
Die Expedition
Vorangegangen waren Monate der Planung und intensiven Vorbereitung, als am 24. März 1967 das Expeditionsschiff vom Rostocker Hafen ablegte und die lange Reise nach Kuba startete. Die Taucher und einige andere Mitarbeiter der Humboldtuniversität folgten später mit dem Flugzeug.
Die Wochen vergingen…
Die Sonne scheint vom stahlblauen Himmel herab, es ist heiß und feucht und salziger Meeresduft liegt in der Luft. Breite Reifenspuren führen durch Palmen quer über den Sandstrand bis zum Meer hinunter.
Mittlerweile ist es Ende Juni, die kubanische Revolution und die Kuba-Krise waren gerade erst ein paar Jahre vorbei, da laden an einem Strand unweit von Havanna einige Männer Werkzeuge, Kisten und ihre Tauchausrüstung ab und bereiten ein Floß und Boote vor. Die außergewöhnliche Aktion kann beginnen. Die Männer steigen in ihre Boote und fahren Richtung Riff aufs Meer hinaus.
Ihre Aufgabe: Der Abbau eines 10m langen und 3m hohen Teilstücks eines Korallenriffs, sowie das Sammeln und präparieren von Riffbewohnern.
Dieses kleine Riff soll dann in Einzelteilen zurück nach Ost-Berlin transportiert und im Naturkundemuseum wieder aufgestellt werden, so der Plan.
Die DDR schickte neben den Sporttauchern der Gesellschaft für Sport und Technik (GST), welche die Korallen abbauen sollten, noch verschiedene Wissenschaftler und Präparatoren der Humboldt Universität Berlin sowie des Naturkundemuseums und eine ärztliche Betreuung ins 8000km entfernte Kuba. Der Aufwand für diese 8-wöchige Expedition war ziemlich groß, etliche Kisten voll mit Lebensmitteln, Küchengerät, Unterwasserkameras, Werkzeugen, Kompressoren, Booten und sogar ein LKW wurden auf die Reise mitgenommen.
Unterstützt wurden die Expeditionsteilnehmer vor Ort von drei Tauchern des ozeanologischen Instituts Kubas.
Am Riff angekommen wurden erste Erkundungstauchgänge absolviert.
Da für so ein kleines Riff möglichst viele unterschiedliche Korallenarten benötigt wurden, suchten die Taucher auf ihren Tauchgängen an den verschiedensten Stellen nach passenden Stücken.
Bewaffnet mit Hammer und Meißel und der Hoffnung, dass während des Abbaus kein bösartiges Getier die Taucher heimsucht, machten sich die Männer an die Arbeit.
Während ein Teil der Taucher das Riff bearbeitete, mussten auch noch passende Meeresbewohner gefunden werden. So wurden über den gesamten Expeditionszeitraum diverse Tierchen gefangen und für die kommende Präparation in Berlin vorbereitet.
Die meisten Korallen ließen sich problemlos mit kleinerem Werkzeug lösen und wurden mithilfe von Flaschenzügen und Hebeschirmen in Kisten an die Oberfläche gebracht und dort auf ein Floß verladen.
Für die ganz schweren Korallenbrocken musste aber größeres Gerät aktiviert werden. Mit dem Pressluftmeißel wurde unter anderem eine 250kg schwere Hirnkoralle vom Riff entfernt. Nachdem sich das gute Stück aufgrund ihres Gewichts mit den herkömmlichen Methoden partout nicht an die Oberfläche bringen lassen wollte, musste ein neuer Plan her.
Kurzerhand wurde die Luft aus einem der beiden großen Schlauchboote abgelassen und dieses zum Meeresgrund gebracht. Dort wurde die Koralle aufs Boot gerollt und dieses wieder mit Pressluft befüllt. So stieg dann auch der schwerste Brocken langsam nach oben und wurde mit all den anderen Errungenschaften katalogisiert und verpackt.
Schlussendlich wurden nach vielen Wochen und etlichen Tauchgängen, ca. 10 Tonnen Korallen verladen und per Schiff auf die lange Reise von Kuba zurück nach Ost-Berlin geschickt.
Diese lagen dann überraschenderweise vorerst weitere 7 Jahre unangetastet im Depot, bis man im Jahr 1974 — zum 25. Jahrestag der DDR — einen sehr kleinen Teil der Korallen auspackte und im Museum ausstellte.
Warum nie der gesamte Bestand aufgebaut wurde, wird wohl ein Rätsel bleiben, zumindest ist es schwer nachvollziehbar bei einer vorangegangenen Expedition dieser Größe.
Es sollte dann noch einmal fast 30 Jahre dauern, die DDR gab es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr und die Jahrtausendwende war auch schon ohne Katastrophen über die Bühne gegangen, da wurden die restlichen Kisten ausgepackt und weitere der kubanischen Korallen in die Ausstellung integriert.
Was hat diese Geschichte jetzt aber mit Glashütte oder gar der hier vorgestellten Uhr zu tun?
Die Verbindung
Da die historische Vorlage der heutigen SeaQ, das Modell Spezimatic Typ RP TS 200 im Jahr 1969 auf den Markt gebracht werden sollte, lag natürlich nichts näher, als einen Prototypen dieser Uhr bei besagter Kuba-Expedition 1967 auf Herz und Nieren zu prüfen. So trat eben auch die Uhr aus dem erzgebirgischen Glashütte die große Reise ins entfernte Kuba an und musste ihre Unterwassertauglichkeit und Robustheit unter anderem im Umgang mit dem Pressluftmeißel unter Beweis stellen.
Aber nicht nur der Prototyp der Taucheruhr aus Glashütte wurde zum Test gebeten, sondern auch eine Orlik aus der damaligen CSSR, sowie zwei Modelle der Squale Master wurden mitgeschickt. Kurzum, der (erste?) Taucheruhrentest der DDR.
Nach unzähligen Tauchgängen und Einsätzen mit Hammer und Meißel und vielen Stunden unter Wasser sowie in der feucht-heißen Luft an Land, hatten alle Uhren den Härtetest ohne Ausfall bestanden.
Das offizielle Testergebnis
„Für den Tauchsportler erfüllen nach unseren Erfahrungen sowohl die Orlik als auch das Glashütte Modell alle Forderungen (wenn man von kleineren Konstruktionsmängeln an Armband, Stellring und Krone absieht, die leicht zu beheben sind), dem autonom arbeitenden Berufstaucher dagegen dürfte die Konstruktion der Squale allerdings größere Sicherheit bieten.“
Nach einigen kleinen Änderungen aufgrund der Rückmeldung der Taucher, war die Uhr aus Glashütte bereit für den Marktstart.
Die Spezimatic Typ RP TS 200
Die Spezimatic Typ RP TS 200 mit ihrem Kaliber 75 wurde für Sporttaucher entwickelt und war die erste industriell gefertigte Taucheruhr der DDR. Sie wurde vom „VEB Glashütter Uhrenbetriebe“ im Jahr 1969 auf den Markt gebracht.
Diese Taucheruhr hat sogar eine frühe Ost-West-Verbindung, denn die Gehäuse der Uhr wurden in Pforzheim / Baden Württemberg hergestellt und dann nach Sachsen geliefert. Das Werk hingegen kam aus Glashütte, es handelt sich um das GUB Kaliber 75.
Da es zur damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches war, dass Gehäuse- und Ziffernblatthersteller ihr Design an verschiedene Marken verkauften, so ist es auch bei dieser Uhr der Fall, dass man optisch ähnlich aussehende Modelle von anderen Herstellern aus diesem Zeitraum findet.
Wir verlassen nun die 60er Jahre und springen zurück in die Gegenwart.
Die SeaQ
Genau 50 Jahre später, im Jahr 2019, aus dem VEB Glashütter Uhrenbetriebe war mittlerweile die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH geworden, lancierte man bei Glashütte Original eine neue Kollektion. Die Spezialist Reihe. Mit dieser Reihe wurden verschiedene Modelle, der jetzt SeaQ genannten Uhren, nach dem historischen Vorbild der Öffentlichkeit vorgestellt.
Ein erstes Modell davon war die SeaQ 1969, welche als limitierte Version in einer Stückzahl von nur 69 Exemplaren erhältlich war und optisch am nächsten am Original war. Als „große Schwestern“ gab es weitere Varianten mit größerem Durchmesser, Panoramadatum, Glasböden und moderneren Werken. Später gesellten sich weitere Versionen in verschiedenen Größen und Materialien dazu.
Ich hatte ehrlich gesagt ein paar kleine Zweifel was das Blau der Uhr betrifft. Auf den Bildern im Netz konnte man schon sehen, dass je nach Art des Lichts, ziemlich viele Blautöne möglich waren. Auf der einen Seite wollte ich unbedingt einen Farbtupfer in der Uhrenbox, andererseits sollte sie im Alltag aber auch nicht zu stark „leuchten“.
Jetzt kann ich sagen, alles im blauen Bereich. Bisher gab es noch keine Lichtsituation in der mir die Uhr „zu Blau“ wäre, die Farbe ist meist wunderbar zurückhaltend, vom Dunkelblau bis zum kräftigen Kornblumenblau kann das Ziffernblatt in verschiedenen Facetten alles darstellen. Die Lünette wirkt in vielen Fällen sogar anthrazit und damit auch sehr dezent. So hatte ich mir das vorgestellt.
An der Qualität der Uhr gibt es wie zu erwarten nichts zu bemängeln. Die Uhr wirkt haptisch wie optisch sehr wertig. Das Gehäuse und die Flanken besitzen einen Schliff in unterschiedlichen Richtungen und die Außenkanten sind teils poliert. Auf der verschraubten Krone sieht man das gespiegelte Doppel-G Logo von Glashütte Original. Die Rückseite zeigt den Dreizack des Poseidon inmitten von angedeuteten Wellen, sowie den Glashütte Original Schriftzug, die Nummer der Uhr und weitere Schriften.
Das blaue Ziffernblatt besitzt einen Sonnenschliff und erzeugt dadurch wunderschöne Blautöne, welche trotzdem nie aufdringlich werden. Sogar die schrägen Flächen des Datumsfensters sind mit diesem Schliff versehen. Die Datumsscheibe ist erfreulicherweise im gleichen Blauton wie das Ziffernblatt gehalten, was ja auch nicht immer der Fall ist.
Die aufgesetzten Indizes, sowie die Zeiger und das Markierungsdreieck auf der Lünette sind mit weißer Super-Luminova gefüllt, welche in einem genialen Blauton leuchtet. Die Ablesbarkeit im Dunkel der Nacht ist wirklich hervorragend.
Bei der Bandwahl war für mich von Anfang an klar, dass es das blau-schwarze Textilband werden wird. Ich finde es passt super zur Uhr. Dass es kein Metallband geworden ist, liegt einfach daran, dass ich persönlich Metallbänder nicht so mag. Ich habe eine Vorliebe zu Textil- und Lederbändern. Also wie so oft, eine klassische Frage des persönlichen Geschmacks.
Die Technik
Versteckt im Inneren tickt das bewährte Automatikkaliber in der Variante GO 39-11. Das Werk hat eine Gangreserve von ca. 40 Stunden und arbeitet mit 4 Hz (28.800 A/h). Weitere typische Glashütter Merkmale sind eine Schwanenhalsfeinregulierung, die Dreiviertelplatine mit Streifenschliff, sowie der doppelte Sonnenschliff auf den Aufzugsrädern.
Der skelettierte Rotor besitzt eine Schwungmasse aus Schwermetall und zeigt das Markenzeichen von Glashütte Original, das gespiegelte „Doppel-G“.
Die Taucheruhrnormen
Die Uhren der SeaQ Reihe sind zertifiziert nach den Taucheruhrnormen DIN 8306 und ISO 6425, d.h. es müssen spezielle Eigenschaften wie z.B. definierte Ablesbarkeit in Dunkelheit / Zeitspannenwahl / Minutenmarkierungen / Lauffähigkeit des Werks (leuchtender Sekundenzeiger) vorhanden sein und eine ganze Reihe unterschiedlicher Tests bestanden werden um diese Zertifizierung zu erhalten.
Unter anderem wären das:
- Druckbelastung mit 20 bar über einen definierten Zeitraum
- Temperaturwechseltests (Kondenswasser)
- Stoßtests dürfen zu einer max. Gangabweichung von ±60s in 24h führen
- definierte Abweichungen bei Magnetismus
- Salzwasserbeständigkeit
- Festigkeit des Armbandes
- die mittlere Ganggenauigkeit darf bei max. –4 bis +6s liegen (nur DIN 8306)
…und einige mehr.
Die Kritik
Ein wenig Kritik muss sich die SeaQ in der kleinen Version auch gefallen lassen, obwohl das natürlich Klagen auf hohem Niveau sind. Das hier verbaute Kaliber 39 läuft wie erwartet spitze, es ist sehr genau reguliert, wie auch schon in meinen anderen Uhren. Da es aber schon viele Jahre auf dem Markt ist, hätte ich mir gewünscht, dass es hier ein Update gegeben und ein neues moderneres Werk den Weg in diese tolle Uhr gefunden hätte.
Viele hätten sich auch einen Glasboden gewünscht, welcher den Blick aufs Werk frei gibt. Dieser Wunsch ist verständlich, stört mich persönlich in diesem Fall jedoch nicht, da ich das Glück habe, in meinen anderen Uhren das Kaliber 39 beobachten zu können. Ich finde den gravierten Boden mit dem Dreizack sogar sehr hübsch und wertig anzusehen, bei all den Glasböden in der Uhrenkiste ist das eine gelungene Abwechslung.
Das Fazit
…kann ich diesmal kurz halten, da ich rundum zufrieden bin. Wie oben angesprochen wäre ein neues Kaliber natürlich das i-Tüpfelchen gewesen aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Für mich persönlich ist die SeaQ Reihe wirklich gelungen und ich bin froh, dass Glashütte Original zumindest bei dieser Reihe auch an Kunden mit schmalen Handgelenken denkt und diese nicht im Regen stehen lässt. Bitte weiter so.
Die Seekuh
Jetzt fällt mir gerade auf, dass ich die erzgebirgische Seekuh noch irgendwie unterbringen muss.
Da ich zum Schluss aber niemanden mehr mit einer Abhandlung über Seekühe strapazieren möchte, sei nur erwähnt, dass der Spitzname der SeaQ in „Fachkreisen“ einfach Seekuh ist und diese hier eben aus dem erzgebirgischen Glashütte stammt. Klingt komisch, ist aber so.
Ok, vielleicht doch noch eines über Seekühe. Über ihren Lebensraum steht folgendes geschrieben:
„Im Gegensatz zu den Walen halten sich Seekühe stets in Küstennähe oder gar im Süßwasser und oft in sehr flachem Wasser auf.“
So oder so ähnlich wird das meiner kleinen blauen Seekuh wahrscheinlich auch ergehen… 😉
Technische Daten
- Edelstahlgehäuse
- einseitig drehbare Lünette mit Keramikeinlage
- verschraubte Krone
- gravierter Edelstahlboden
- Wasserdichtheit: 20bar / 200m
- Zertifiziert nach Taucheruhrnormen DIN 8306 und ISO 6425
- Gehäusedurchmesser: 39,5 mm
- Gehäusehöhe: 12,15 mm
Werk
- Referenz: 1-39-11-09-81-34
- Kaliber: 39-11
- Automatik (4 Hz / 28.800 A/h)
- Gangreserve: 40h
- Sekundenstopp
- Schwanenhalsfeinregulierung
- 25 Steine
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