Die Sonne brennt, Benzingeruch liegt in der Luft. Der Asphalt des eben erst fertiggestellten Panamericana Highways quer durch Mexiko ist gerade getrocknet, da startet schon die Premiere eines der gefährlichsten Autorennen der Welt.
Um die Einweihung der neuen Nord-Süd Verbindung zu feiern und das Land für Handel und Tourismus bekannt zu machen, organisiert die mexikanische Regierung in Zusammenarbeit mit einigen Automobilverbänden ein mehrtägiges Rennevent.
Von der Grenze zu Texas im Norden Mexikos bis nach El Ocotal an der südlichen Grenze zu Guatemala liegen knapp 3500 km vor den waghalsigen Piloten. In 9 Etappen müssen Fahrer und Autos an ihre Grenzen gehen. Die Strecke führt über ungesicherte Bergstraßen, durch trockene Steppen bis zu den tropischen Regenwäldern im Süden.
Extreme Höhen- und Temperaturunterschiede, ständig wechselnde Untergründe und unzählige Kurven werden Mensch und Maschine alles abverlangen. Ein Höllenritt über 6 Tage.
Willkommen zum “Mexican Road Race” oder besser bekannt als…
La Carrera Panamericana
Es ist Freitagmorgen, 6 Uhr.
Die Feierlichkeiten am Startpunkt in Ciudad Juárez am Rio Grande beginnen, es werden Reden gehalten und Hände geschüttelt. Der offizielle Start ist für 10 Uhr geplant. Die 132 Teilnehmer des Rennens stehen bereit für das große Abenteuer.
Das Fahrerfeld ist bunt gemischt, von professionellen Rennfahrern über Hobbypiloten bis hin zu Taxi- und LKW-Fahrern ist alles vertreten. Die ersten Motoren heulen auf und alle Fahrer warten voller Anspannung auf den Startschuss. Dann ist es soweit, die Startflagge wird geschwenkt, das Rennen ist eröffnet.
Gleich die erste Etappe ist eine Hochgeschwindigkeitsfahrt durch die brennend heiße Wüste, welche nicht alle Teilnehmer beenden werden. Helme und richtige Sicherheitsgurte gibt es noch nicht und viele Rennfahrer sind überzeugt, dass sie mit angelegten Gurten im Falle eines Unfalls schlechter aus den Autos kommen würden. Auch an der Strecke sind kaum Vorkehrungen zum Schutz von Fahrern und Publikum getroffen. Die Autos rasen mit hoher Geschwindigkeit nur knapp an den Zuschauern vorbei, welche sich an den Straßenrändern versammelt haben.
Mittlerweile ist das gesamte Starterfeld unterwegs. In den kommenden Tagen berichten immer mehr Zeitungen und Radiosender in Mexiko über die ereignisreiche Rallye, welche schon nach kurzer Zeit den ersten Toten zu beklagen hat. Die weiteren Etappen führen hoch in die Berge und dann nach Mexiko-City. Dort warten schon über eine Million Zuschauer, um die Rennfahrer in ihren Autos zu sehen.
Die weiteren Streckenabschnitte werden von vielen Aus- und Unfällen begleitet. Das Rennen läuft mittlerweile 5 Tage und das Starterfeld ist merklich kleiner geworden. Leichte Dellen sind allerdings kein Grund das Rennen abzubrechen…
Schon morgen steht die letzte Etappe an. Bis zum Zieleinlauf an der Grenze zu Guatemala, geht es über viele marode Straßen mit scharfkantigen Steinen. Wer sich hier vorab über die Strecke informiert hat, könnte einen Vorteil daraus ziehen, denn Reifenplatzer sind bei diesen Bedingungen vorprogrammiert.
Einer der gut informierten Piloten ist der aktuell noch viertplatzierte Amerikaner McGriff. Er und sein Co-Pilot Elliott suchen noch am Vorabend in den umliegenden Werkstätten und bei Reifenhändlern nach verstärkten Schwerlastreifen, um die anspruchsvolle Strecke besser bewältigen zu können.
Der nächste Morgen, die ersten Teilnehmer machen sich auf den Weg. Auch McGriff mit der Startnummer 52 startet mit seinem Partner in die letzte Etappe. Dank der verstärkten Reifen, erobern die beiden Platz um Platz, während andere Teilnehmer unfreiwillig am Straßenrand liegen bleiben und damit beschäftigt sind, neue Reifen auf ihre Wagen zu montieren. Der Plan der beiden Amerikaner scheint aufzugehen, der 10-minütige Rückstand auf den Führenden schwindet Stück für Stück. Jetzt darf nichts mehr schiefgehen.
Kurz vor der Zieleinfahrt dann ein heftiger Schlag. McGriff fährt zu schnell in eine starke Bodenwelle, reißt sich dabei Ölwanne und Tank auf, rettet sich aber mit dem sprichwörtlich letzten Tropfen Benzin über die Ziellinie und gewinnt die 1. Carrera Panamericana in seinem Oldsmobile 88. Von den 132 Teilnehmern, erreichen nur 52 die Ziellinie.
Der Bekanntheitsgrad des Rennens steigerte sich und zusätzliche Fahrzeugklassen wurden zugelassen, so dass sich schnell ein internationales Starterfeld ausbildete. Durch die Teilnahme von bekannten Rennfahrern wie Juan Manuel Fangio oder Carroll Shelby gewinnt das Rennen in den kommenden Jahren schnell weiter an Beliebtheit.
Tieffliegendes Federvieh und Männer hinter Gittern
1952, die dritte Auflage der Carrera Panamericana, welche auch unter deutscher Beteiligung stattfindet. Mercedes-Benz schickt gleich drei Teams mit jeweils einem Mercedes 300 SL nach Mexiko. Im Vorfeld des Rennens wurde, teils in den Alpen, von Benzingemischen über Vergaser- und Zündungseinstellungen alles akribisch geplant und getestet, um für die extrem unterschiedlichen Höhen-, Temperatur- und Luftverhältnisse in der Wüste und den über 3.000m hohen Bergen vorbereitet zu sein.
Zusammen mit seinem Co-Piloten Hans Klenk steuert Karl Kling einen der drei Wagen. Während einer Etappe plötzlich eine unerwartete Kollision. Auf einer schnellen Passage schlägt ein Geier frontal in die rechte Seite der Windschutzscheibe des Mercedes ein und verletzt dabei den Co-Piloten Hans Klenk durch Glasscherben im Gesicht. Trotz Schnittverletzungen und kurzer Benommenheit beschließen beide weiterzufahren und beenden die Etappe schließlich erfolgreich.
Nachdem Glasscherben und Geierüberreste aus Gesicht und Wagen entfernt waren, werden noch in der Nacht neue Scheiben eingesetzt und zur Sicherheit zusätzliche Metallstreben, die “Anti-Geier-Gitter” an den Autos verbaut.
Unbeirrt setzen die beiden das Rennen fort und gewinnen schließlich die 3. Carrera Panamericana vor ihren Teamkollegen im zweiten 300 SL in einer Fabelzeit von knapp 19 Stunden und einer bis heute unglaublichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 165 km pro Stunde.
Aber nicht nur die Herren der Schöpfung hatten ihre Freude am Rennen, denn auch einige wenige Damen sind bei der Rallye vertreten, was ziemlich besonders war, wenn man rückblickend bedenkt, wie hart die Rennen waren und in welcher Zeit sich das Ganze abspielte. In den fünfziger Jahren sah man die Frauen eher am Herd als am Steuer eines Rennwagens. Eine der taffen Ladys war Jacqueline Evans, eine Engländerin, welche in Mexiko als Schauspielerin zu einiger Berühmtheit gelangt war. Sie bestritt die Rennen komplett allein, ohne Beifahrer und immer privat finanziert.
Randnotiz
Der Aufwand, um so ein langes und gefährliches Rennen zu organisieren, war enorm und wuchs ständig. Beim dritten Rennen im Jahr 1952 waren schon 65 Flugzeuge im Einsatz, welche Mensch und Material zu den verschiedenen Etappen transportierten, dazu kamen noch 3.000 Sanitäter und etwa 40.000 Soldaten.
Wie ein Porsche zu seinem Namen kam
Auch Porsche fuhr mit dem 356s und später mit dem neuen 550 Spyder in anderen Fahrzeugklassen verschiedene Erfolge bei der Carrera Panamericana ein.
Zu Ehren dieser Erfolge beschloss man bei Porsche, das jeweils stärkste Modell einer Baureihe auf den Namen “Carrera” zu taufen. Übersetzt aus dem spanischen heißt Carrera nämlich nichts anderes als “Rennen”.
Aber nicht nur der Porsche Carrera kam so zu seinem Namen. Auch später erinnerte man sich an die alten Rennerfolge der Carrera Panamericana und so erfolgte auch die Namensgebung des Porsche Panamera vor diesem Hintergrund.
Das schnelle Ende der Rennserie
Zurück ins Jahr 1954. Da das Rennen als eines der härtesten überhaupt galt, schafften es im Schnitt nur ein Drittel der Teilnehmer das Ziel zu erreichen. Fehlende Sicherheitsvorkehrungen sowie die zahlreichen und oft auch tödlichen Unfälle überschatteten die aufregenden Rennen.
Der tragische Zwischenfall beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans am 11. Juni 1955, als ein Mercedes in die Zuschauermenge flog und 84 Menschen starben, sorgte international für Aufsehen. Das führte dazu, dass die mexikanische Regierung das Rennen für das Jahr 1955 absagte und die legendäre Rennserie nach nur fünf Rennen komplett einstellte.
Das Ziel, die Nord-Süd Verbindung des Panamericana Highways bekannt zu machen, war erfüllt. In diesem kurzen Zeitraum verloren in den fünf Rennen 27 Menschen ihr Leben. Erst 1988 wurde das Rennevent in Form einer Oldtimer-Rallye wiederbelebt und bis heute fortgeführt. Die “La Carrera Panamericana” erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.
Wie eine Uhr zu ihrem Namen kam
Um eine Verbindung zur Uhr herzustellen, drehen wir die Zeit ein paar Jahre weiter und springen über die Grenze in die USA. Dort veranstaltete der Sports Car Club of America (SCCA) verschiedene Rallyes, bei denen auch ein gewisser Jack Heuer zu Marketingzwecken auf dem Beifahrersitz saß, um die dort eingesetzten Bordinstrumente von HEUER zu bewerben.
Das Jahr 1963. Wir befinden uns auf dem Sebring International Raceway in Florida. Dort nimmt der SCCA die Zeitmessung für die “12 Stunden von Sebring” vor. Der zu diesem Zeitpunkt 31-jährige Jack Heuer überlässt der SCCA seine Heuer Stoppuhren für die Zeitmessung und wird damit offizieller Zeitnehmer des Rennens.
An dieser Rennstrecke lernt Jack Heuer die Brüder Ricardo und Pedro Rodriguez kennen. Beide sind bekannte mexikanische Rennfahrer und berichten voller Begeisterung von der in den fünfziger Jahren ausgetragenen und berüchtigten Carrera Panamericana.
Der Name Carrera gefiel Jack Heuer so gut, dass er später sagte:
“Allein der Klang des Namens wirkte elegant und dynamisch, war in allen Sprachen problemlos auszusprechen und voller Emotionen. Damals wurde mir klar, dass mein neuer Chronograph eine perfekte Hommage an diese Legende werden würde.” Jack Heuer
So ließ er den Namen “Heuer Carrera” schützen, um ihn für den seit Anfang der sechziger Jahre in Entwicklung befindlichen Armbanduhrchronographen zu nutzen. Die Heuer Carrera war geboren.
Durch die perfekte Verbindung von Zeitmessung und Motorsport wurde die Carrera zu einem großen Erfolg und ist bis heute eines der wichtigsten Modelle der Marke.
1962, noch kurz vor der Carrera, kam Heuers erster Armbanduhrchronograph auf den Markt: die Autavia. Die besondere Namensgebung der Sportuhren wurde weiter fortgeführt, so auch bei der im Jahr 1968 vorgestellten Heuer Camaro, welche an die in dieser Zeit beliebten amerikanischen Muscle Cars erinnern sollte.
Ein Jahr später, 1969, kam dann die Heuer Monaco mit ihrem bis heute unverwechselbaren Design auf den Markt, benannt nach dem berühmten Formel-1-Rennen. Als Steve McQueen dieses Modell im Film “Le Mans” trug, steigerte das den Bekanntheitsgrad der Heuer Monaco enorm.
Wie aus Heuer “TAG Heuer” wurde
Nach dieser erfolgreichen Ära hielt die allseits bekannte Quarzkrise Einzug in die Täler der Schweiz und rang viele Uhrenhersteller zu Boden. Auch die 1860 gegründete Firma Heuer blieb trotz aller Anstrengungen Jack Heuers nicht verschont.
Alle Versuche die Firma zu retten blieben erfolglos. So musste der mittlerweile 50-jährige Jack Heuer unter dem Druck der Banken im Jahr 1982 gezwungenermaßen von seinem Chefposten zurücktreten und alle Anteile an seiner Firma unter Wert verkaufen.
Er verließ somit als Letzter seiner Familie das Unternehmen, was nun an die Piaget-Gruppe ging. Schwer enttäuscht brach Heuer daraufhin mit der Uhrenbranche.
1985 wurde das Unternehmen an die luxemburgische TAG Group (Techniques d’Avant Garde) verkauft, die ein Tochterunternehmen gründete und die Marke von Heuer in TAG Heuer umbenannte.
14 Jahre später, im Jahr 1999, wurde TAG Heuer dann an den französischen Luxusgüterkonzern LVMH verkauft. Jack Heuer wurde daraufhin im Jahr 2001 vom neuen Chef eingeladen, versöhnte sich mit der Firmenleitung und wurde zum Berater und Ehrenpräsidenten von TAG Heuer ernannt.
Die Uhr
Passenderweise feiert die Carrera in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag (1963–2023), da bietet sich diese Vorstellung geradezu an. Zum Andenken an die Heuer Carrera gab es in der Vergangenheit schon einige Re-Editions.
Die hier vorgestellte Uhr hört auf den Namen TAG Heuer Carrera Calibre 18 Telemeter und erblickte im Jahr 2015 das Licht der Welt. Das Modell soll an die Heuer Carrera 30 mit Pandadial erinnern, welche ungefähr 1970 auf den Markt kam.
Die Uhr hat einen Durchmesser von 39mm, bei einem Lug-to-Lug-Maß von 47mm, gut geeignet für schmale Handgelenke. Die Höhe liegt bei 13,6mm, wobei gut 3mm davon auf das Saphirglas entfallen. Insgesamt trägt sich die Uhr aber flacher als es die reinen Zahlen vermuten lassen. Das Ziffernblatt schimmert je nach Licht in silbrig-goldener Farbe, absolut traumhaft.
Das Design ist an die Exemplare aus den 60er/70er Jahren angelehnt. Mit den tieferliegenden anthrazitfarbenen Totalisatoren und dem wunderschönen “Glassbox”-Saphirglas ist das meines Erachtens sehr gelungen.
Die Menge an Leuchtmasse ist begrenzt, zum einen ist sie auf den Zeigern angebracht und zusätzlich in Form von zwei Punkten auf 3 und 6 Uhr. Dass keine Vintage-Lume verwendet wurde kann ich nur begrüßen.
Das gelochte Rallyearmband vervollständigt den Retrolook der Uhr. Für mich eine sehr schöne Umsetzung, um an die alten Zeiten zu erinnern.
Die Telemeter-Komplikation
Die Heuer Calibre 18 Telemeter wurde, wie der Name schon sagt, mit einer eher ungewöhnlichen Komplikation ausgestattet, welche man nicht so häufig an einer Armbanduhr findet. Telemeter bedeutet frei übersetzt nichts anderes als Entfernungsmesser. Diese Funktion wurde ursprünglich entwickelt, um in Kriegszeiten den Abstand der gegnerischen Artillerie zur eigenen Stellung zu ermitteln.
Da sich das Licht schneller als der Schall bewegt startete man mit dem Drücker die Messung sobald die Mündungsfeuer der gegnerischen Artillerie zu sehen waren und stoppte, wenn der dazugehörige Kanonendonner wahrgenommen wurde.
Danach konnte man mit einem kurzen Blick auf die Entfernungsskala sehr schnell ablesen, wieviel Kilometer die Artillerie entfernt war. Auch auf Marinechronometern war diese Funktion vorhanden, dort war die Skala dann in Seemeilen ausgeführt.
Natürlich kann man damit auch wunderbar die Entfernung eines Gewitters zum eigenen Standpunkt messen, Blitz und Donner sei Dank. Das ist ganz nützlich, denn so kann man abschätzen, ob das Unheil auf einen zusteuert oder sich entfernt. Ganz wie früher eben.
Das Werk
Beim Blick durch den Glasboden der Uhr kann der wohlklingende Name “Calibre 18” nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein normales Sellita SW 300 Werk mit einem Dubois-Dépraz-Chronographenmodul handelt, auch erkennbar an der leicht nach unten versetzten Krone. Ein eigenes Kaliber von TAG Heuer wäre natürlich das i-Tüpfelchen in dieser Uhr gewesen aber es kann halt nicht immer Manufaktur sein.
Die technischen Daten
- TAG Heuer Carrera Calibre 18 Telemeter
- Referenz: CAR221A.FC6353
- Werk: Calibre 18 (Sellita SW300 mit DD 2232 Chronograph-Modul)
- Automatik (4 Hz / 28.800 A/h)
- Gangreserve: 42h
- Sekundenstopp
- Edelstahlgehäuse mit entspiegeltem Saphirglas
- Telemeter-Komplikation
- Wasserdichtheit: 100m
- Gehäusedurchmesser: 39mm
- Gehäusehöhe inkl. gewölbtem Glas: 13,6 mm
Fazit
Eine tolle Uhr im schönen Retrolook, speziell das leicht goldfarbene Ziffernblatt mit dem gewölbten Saphirglas sind für mich ein optischer Leckerbissen. Sie bekommt ausreichend Tragezeit und bleibt definitiv bei mir. Eine sehr schöne Abwechslung in der Uhrenbox.